BB XII Armenwesen, 1797-1954 (Bestand)

Archivplan-Kontext


Identifikationsbereich

Signatur:BB XII
Titel:Armenwesen
Entstehungszeitraum:1797 - 1954
Zusätzliche Begriffe:Fürsorgewesen, secours, assistance

Angaben zur Benutzung

Bemerkungen:Vgl. Verwaltungsgeschichte

Angaben zum Kontext

Verwaltungsgeschichte:Die Linderung von Not und Armut gehört zu den vornehmsten Aufgaben eines Staatswesens. Waren es vor der Reformation vor allem kirchliche Institutionen, die sich den Armen annahmen, wurde im Laufe der Jahrhunderte die Armenfürsorge zu einer der wichtigsten Aufgaben des Staates.
Mit der Bevölkerungsexplosion zu Beginn des 19. Jh. verstärkte sich das Armenproblem auch im Kanton Bern. Die bessere medizinische Betreuung der Bevölkerung sowie gestiegene Erkenntnisse in der Ernährung und der Hygiene sind einige der Faktoren, die zu einem raschen Anwachsen der Bevölkerungszahlen führten. Die Folgen davon können nur angedeutet werden: Die Industrialisierung mit all ihren Nebeneffekten, die Entstehung neuer gesellschaftlicher Unterschichten in den Städten, die Massenarmut auf dem Lande, die damit verbundene Massenauswanderung, dies alles sind soziale Probleme, denen sich die staatlichen Behörden im 19. Jh. gegenübergestellt sahen.

Die bernische Staatsverfassung von 1831 enthielt in Bezug auf die Regelung der Armenfrage folgenden Grundsatz: "Der Staat soll die Oberaufsicht über das Armenwesen und die Leitung desselben führen und Gemeinden durch Rat und Tat in der Verpflegung der Armen beistehen." Der Staat war also beauftragt, geeignete gesetzliche und administrative Grundlagen für eine wirksame Bekämpfung der Armut zu schaffen.
Auf die gesetzlichen Massnahmen zur Behebung der Armennot soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Die Entwicklung der Armengesetzgebung ist ausführlich von Karl Geiser (Geschichte des Armenwesens im Kanton Bern von der Reformation bis auf die neuere Zeit. Bern, 1894) beschrieben worden.
Auf administrativer Ebene wurden zur Bekämpfung der Armennot neue, leistungsfähigere Behördenstrukturen geschaffen. Laut "Gesetz über die Organisation der Departemente des Regierungsrates" vom 8. November 1831 wurde"...mit dem Armenwesen und mit der Gesundheitspflege überhaupt, insbesondere denn mit allen Unterstützungs- und Heilungsanstalten des Staates..." das Departement des Innern betraut. Diesem damaligen "Superdepartement" innerhalb der bernischen Verwaltung unterstanden neben dem Armenwesen zahlreiche weitere Unterabteilungen, nämlich die Verwaltungen
- des Gemeindewesens
- der Volkswirtschaft
- der Statistik und
- des Gesundheitswesens

Administrativ war demnach nach 1831 für die staatliche Armenpolitik die "Abteilung Armenwesen des Departements des Innern" zuständig. Sie hatte als zentrale Behörde die von Gesetzes wegen für die Armenpflege zuständigen Gemeinden zu unterstützen. Vereinfacht ausgedrückt, ruhte die Armenpolitik des Kantons Bern im 19. Jahrhundert auf den zwei Säulen
1. Staat: Leitung der Staatsarmen- und Verpflegungsanstalten, Besorgung der auswärtigen Armenpflege, Aufsicht über die Privatarmenanstalten und die Gemeindearmenpflege, Verwaltung des Alkoholzehntels
2. Gemeinden: Gesetzliche Unterstützungspflicht der Armen

Mit zunehmender Verschärfung der Armenproblematik erwies sich im Laufe des 19. Jahrhunderts die Kapazität der staatlichen Armenbehörden als zu gering. Genauso wie sich andere Verwaltungen (Bsp. Gemeindewesen, Eisenbahnen, Entsumpfungen) von Unterabteilungen entwickelten, wandelte sich auch die Armenverwaltung von der oben erwähnten "Abteilung Armenwesen" des Departementes des Innern zur selbstständigen Direktion. Dieser Ablösungsprozess vollzog sich stufenweise über mehrere Jahre hinweg. 1859/60 setzten eigene Geschäftskontrollen der Armendirektionen ein. Im Staatsverwaltungsbericht von 1877 trat die ehemalige "Abteilung Armenwesen" zum ersten Mal als selbständige Direktion auf; im Staatskalender auf 1891/92 erschien sie schliesslich erstmals als eigenständige "Direktion des Armenwesens".
Unter dieser Bezeichnung wirkte die Behörde während gut siebzig Jahren, d.h. bis Ende 1948. Auf den 1. Januar 1949 wurde die Direktion des Armenwesens in "Direktion des Fürsorgewesens" umbenannt. Der Aufgabenbereich der Direktion wurde zwar neu umschrieben, blieb aber grundsätzlich der gleiche wie schon im 19. Jahrhundert. Der Verwaltung des Fürsorgewesens oblagen nun

1. Die Aufgaben, welche durch die Armengesetzgebung der kantonalen Zentralverwaltung zugeschrieben sind;
2. Das Fürsorgewesen, soweit davon nicht bestimmte andere Gebiete ausdrücklich einer andern Direktion zugewiesen sind;
3. Die Verwaltung des Alkoholzehntels und die Bekämpfung der Trunksucht.

Mit dem Dekret vom 10. November 1977 über die Organisation der Gesundheits- und der Fürsorgedirektion trat schliesslich die ehemalige Armenbehörde erstmals unter dem heute geläufigen Namen "Fürsorgedirektion" auf. Dasselbe Dekret trägt auch den neuen, gewandelten Aufgaben der Behörde besser Rechnung. Artikel 2 beschreibt den aktuellen Aufgabenbereich der Fürsorgedirektion grundsätzlich wie folgt:

Art. 2 Die Fürsorgedirektion besorgt unter der Oberaufsicht des Regierungsrates die Aufgaben der öffentlichen Fürsorge, soweit sie nicht andern Direktionen zugewiesen sind.
Sie ist unter diesem Vorbehalt insbesondere zuständig für die Durchführung
a) der kantonalen Gesetzgebung über das Fürsorgewesen und die Bekämpfung des Alkoholismus.
b) der Staatsverträge, Bundesgesetzgebung und Konkordate betreffend Aufgaben der öffentlichen Fürsorge.
 

Verwandte Verzeichnungseinheiten

Verwandte Verzeichnungseinheiten:Fortsetzung siehe:
BB 13 Fürsorgedirektion, 1826-1998 (Bestand)
 

URL für diese Verz.-Einheit

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